Über mich

Susanne Reimnitz

Freies Arbeiten mit Ton im Werkraum der Schule am Nachmittag, erst in einer AG, dann im wiederkehrend mit dem Werkraumschlüssel in der Tasche, – dort war es zuerst, dass ich dieses „Fließen durch die Hände“ als Kraft wahrnahm.
Hinzu kam, dass meine Kunst – Begegnungen bis zum Abitur ausreichten, dieses Feld als rätselhaft, mit allem verbunden und voller Fragen zu erfahren. Das zog mich an.

Mein Studium begann ich 1980 an der Kunsthochschule Braunschweig, damals politisch ausgerichtet und am Realismus orientiert.
Meine wesentliche Erfahrung der ersten Semester war, dass das Aufhören wichtiger sein kann als das Weitermachen. Die Vielfalt des akademischen Kunstbetriebs konnte ich erkunden, aber sie berührte mich nicht. Jedenfalls zu wenig das, was auf der Staffelei stand (- in die Malklasse hatte es mich schließlich doch gezogen -), sondern am ehesten die Fleckigkeiten und Spuren der nebenher entstehenden Mischpaletten für Malmittel und Pigmente auf Pappe, die Schichten der Farbe auf dem Boden, Verwischungen an den Wänden.

Zeitgleich mit dem Umbau der Atelierräume der HBK nahm ich neue Suchbewegungen auf. Philosophie, im Lehramtsstudium begleitend gehört, vertiefte ich. Ich begann mit Stimmbildung/ Gesangsunterricht und fragte mich, ob ich Richtung Theater ohne Worte oder Ausdruckstanz weitergehen sollte.
Die Zusammenschau der Bereiche Philosophie, Kunst, Mythos und Poesie, wie ich die Chance hatte, sie in der Förderung durch das Studienwerks Villigst der Ev. Kirche in fachübergreifenden Seminaren kennenzulernen, faszinierte mich.

Die Begegnung mit Giacomettis Werken stach heraus in dieser Zeit der Suche: ein plastisches Werk, – abstrahiert -, das in der reduzierten Darstellung eine solche Energie vermittelte! Ein sich entziehendes Erscheinen hervorbrachte, “Ferne“nah und Nähe ins Fremde entfernte: auratisch- geistiges Geschehen, Augenwahrnehmung übersteigend.

Es waren wieder die Hände, deren eigenwilliger Fluss im Tun mich zurückzog ins Bildnerische.
Stapel vergilbter Karteikärtchen, auf der Baustelle der HBK-Ateliers gefunden, gaben Gelegenheit, beiläufig +nebenbei Stifte auszuprobieren, energetische Strichbündel zu erproben, färbende Flüssigkeiten der Studentenküche. Hierbei entstanden im Kleinformat die ersten Bilder, die ich als „eigene“ bezeichnen kann. Sie waren weitgehend ungegenständlich, weckten teils noch Assoziationen, etwa zu Wachstumsprozessen (- mir als Naturbeobachtender naheliegend -), waren aber unterwegs ins Ungegenständliche: Kloßiges, aufstrebend oder zentral Gebautes, neblig Geschichtetes…

An der HBK gab es dafür keinen Ort, keine Förderung. Man riet mir, an einer anderen Hochschule weiterzustudieren. Ich wählte dagegen einen frühen Studienabschluss, um meinen Weg im Weiteren selbst zu suchen.
Kritzeln, Krakeln, Schwingen, Fliegen und Entspringen auf dem „nackten“ Papier. Durchstreichen, Überlagern, Öffnen. Nullschriftenserien und eingeschriebene Zahlenfolgen. Experimente mit Untergründen,- und zurück zum Papier.

In den Jahren 1985-89 lag der Studienabschluss in Kunst, und das Beenden der Semesterfolge Philosophie, um einen Referendariatsplatz fürs Kunstlehramt am Gymnasium in Anspruch zu nehmen.
Ab 90 war ich – von Sabbatphasen unterbrochen – in Teilzeit und gerne als Kunstlehrerin tätig, zunächst im Umfeld Braunschweigs, ab 2002 am Gymnasium Gaußschule in Braunschweig.
1989 Heirat mit Thomas Wöhrmann, einem Malerkollegen, bei den Philosophen kennengelernt. Seither im Zusammenleben nicht ausbleibende künstlerische Auseinandersetzung, gelegentliche Kooperationen, später im Ausstellungsbereich häufiger.

In den Jahren bis 93 zieht sich in meinen Arbeiten ein Gestus des Entkommens und Entspringens in oft reduzierten, flüssig und trocken gezeichneten Bildserien von großer Luftigkeit fort: Rhythmus und fliegende Bewegung zentral. Papier, ungrundiert, ohne materielle Schwere, hautartig und feine Resonanz gebend auf Feuchtigkeit und Spuren ist mein bevorzugtes Material. ( Eine ebenfalls luftige Rauminstallation, 1991 im Vonderau-Museum Fulda, das Motiv der Zitrone umkreisend, wie in der Zeit einige Bildserien, bleibt Ausnahme.)
Auch folgend bleibt Papier als Bildträger bestimmend, wird aber zunehmend dichter und flächenhafter in Farbklängen durchmoduliert, in halbtransparenten Schichtungen, Strukturen und Vernetzungen bearbeitet,- dies oft wiederholt. Die Ungegenständlichkeit steht nun im Zentrum der Erforschung: vielfach Prozesse zwischen Formentstehung und Formauflösung, Strukturbildung und Öffnung.

Kompositionen verdichten sich und die mehrfach bearbeiteten Papiere gewinnen auch materiell an Festigkeit bis hin zu ledriger Konsistenz. Die Oberflächen scheinen stärker körperhaft und bewegt „in eigenem Atem“, werden daher in Ausstellungen zunehmend auf Holzträgern präsentiert, die dem gerecht werden. Die Formatgrößen bleiben im Bezug zum eigenen Körper.

Zeichnung trennt sich ab als eigener Bereich, Collage kommt hinzu.
Im Schaffen gibt es „Ebbe und Flut“ abhängig von Lebenseinschnitten.
Das „Führen der Hände“, ein „Lauschen aufs Ganze“ bleibt wesentlich.

Auf- und Ausbruchsbewegung wurde zu variabler Bewegtheit, Schweben bleibt.
Stille ist ein Thema.

Träume ich Bilder ?

Wie kommen Farben auf ?
Was ist Vorstellung ?
Wieweit kann Bewusstsein die Formbildung beeinflussen ?
Wie konkretisiert sich Form ?
Wie verhält sich Form in ihrem Umfeld, wie steht sie im Format ?
Binden – Öffnen, Halten – Lösen.

Was folgt, entspringt, träumt sich daraus ?

Fragen, denen malerische Antworten entgegengebracht werden. Vorläufige Antworten, die sich veränderbar halten und eine eigene Dynamik zulassen.

Susanne Reimnitz im Atelier
Susanne Reimnitz im Atelier
Atelier Susanne Reimnitz